November-Gedenken

Wie in jedem Jahr haben Mitglieder und Freunde der DKP auch in diesem Jahr an den Grabstätten für die sowjetischen und polnischen Zwangsarbeiter, die in Solingen umgekommen sind, Blumengebinde niedergelegt.
Ein Specher erklärte dazu u. a.:
Wir wollen heute derer gedenken, die in unserer offiziellen Geschichtsschreibung unterschlagen oder verharmlosend als Fremdarbeiter benannt werden. Vor ihren Gräbern und Gedenkstätten in Deutschland verbeugen sich, anders als vor den Gräbern von SS-Schergen keine ranghohen Repräsentanten dieses Staates. Wir sind hier, um auch in Solingen die Mauer des Schweigens und des Vergessens zu durchbrechen . Das sind wir den Menschen schuldig, die von der Deutschen Wehrmacht aus der Sowjetunion und anderen Ländern zur Sklavenarbeit ins Nazideutschland deportiert wurden.
Nikolai Karpow wurde 1943 im Alter von 11 Jahren aus der Sowjetunion zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. In seiner Erzählung „ Der kleine Ostarbeiter“ beschreibt er mit tiefer Menschlichkeit, aber ohne Hass seine qualvollen Jahre als Ostarbeiter in Deutschland. Er schreibt:“ Es kam einem seltsam vor, wie dieses schöne, durch den Fleiß der Menschen bereicherte Land nach Raubtiergesetzen lebte.“
Es waren die Gesetze der Deutschen Faschisten und ihrer Geldgeber, die ca. 10 Mio. Menschen vor allem aus der Sowjetunion und aus Polen, im deutschen Reich und den besetzten Gebieten der Zwangsarbeit unterwarfen. Nachdem der erhoffte Blitzkrieg der Naziwehrmacht in der Sowjetunion durch die Rote Armee gestoppt wurde, stieg die Zahl der verschleppten Zwangsarbeiter rapide an. So verdoppelte sich die Zahl der in der deutschen Landwirtschaft eingesetzten Menschen von 1,4 auf 3,2 Mio. Menschen. In vielen deutschen Firmen , deren Namen sich auch heute noch in den täglichen Börsennachrichten wiederfinden, mussten Zwangsarbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften. Dieses Detail ihrer „Erfolgstory“ fehlt in den meisten Hochglanzbroschüren der deutschen Dax-Gewinner, welche zu ihren Jubiläen unters Volk gestreut werden. Im Sommer 1944 waren in Deutschland ca.1.9 Millionen Kriegsgefangene und 5,7 Millionen Zivilisten aus dem Ausland offiziell als ( welch ein Zynismus der Nazi-Bürokratie) „beschäftigt“ gemeldet. Im Sommer 1944 waren ein Viertel der Arbeitskräfte in der gesamten deutschen Wirtschaft Zwangsarbeiter. Hinzu kamen aus den KZ-Lagern eingesetzte Arbeiter. All dies war Teil des Nazi-Programms: Vernichtung durch Arbeit.
In Deutschland erwartete sie Terror, Ausbeutung in der Industrie und Landwirtschaft oft bis zum Tod, Hunger, Krankheiten die nicht behandelt wurden, kein Schutz vor Luftangriffen. Die Zahl der infolge der Zwangsarbeit umgekommenen Menschen allein aus der Sowjetunion liegt nach Schätzungen bei über 200.000 . Hinzu kommen noch 75.000 Ostarbeiterkinder , die in den Ausländerkinder-Pflegestätten, dem fast sicheren Tod ausgeliefert wurden. Die Mehrzahl hat den Krieg nicht überlebt.
In Solingen schufteten allein 15.000 Zwangsarbeiter verschiedener Nationen in fast 500Solinger Industrieunternehmen und bei der Stadtverwaltung. Sie hausten in Baracken oder in den Fabriken. Die Ernährung war katastrophal und menschenunwürdig. Schwere Misshandlungen und Diskriminierungen waren an der Tagesordnung. Viele haben dies mit dem Tode bezahlt.

Wenn wir heute derer gedenken, die von den Nazis als „Untermenschen und minderwertige Rassen“ der Vernichtung durch Arbeit preisgegeben wurden, so stehen wir zugleich in der Verantwortung so etwas nie mehr zuzulassen. Den Anfängen zu wehren –das ist unsere Verpflichtung.
Wenn in diesen Tagen wieder Menschen die vor Elend und Krieg in Ihren Ländern fliehen in unseren Städten von Nazis und rechten Stammtischen beschimpft und bedroht werden, dann dürfen wir dazu nicht schweigen.
Wenn vor der Küste Italiens und Griechenlands hunderte Menschen auf ihrer Flucht vor Armut und Terror ertrinken und unserem Innenminister nicht besseres einfällt als die Kontrollen unserer europäischen Außengrenzen zu verschärfen, dann darf dies nicht ohne unseren Widerspruch bleiben. Das Elend der Menschen in Afrika und Asien ist tausendmal diskussionswürdiger als die vermeintliche Umbenennung von St. Martinszügen. Welch eine Doppelmoral und Heuchelei hat sich in diesem Land breitgemacht.
Wenn nach den Verbrechen der Nazis heute wieder bestimmte Bevölkerungsgruppen in Europa , wie z.B. die Sinti und Roma als nicht integrationsfähig und arbeitsunwillig diffamiert und deren Mitglieder mit Fackelaufmärschen eines rechten Mobs bedroht werden, dann muss dieser Pogromstimmung entschieden entgegengetreten werden. Es kann nicht sein das die gleichen Menschen, die im Sommer auf unseren Erdbeerfeldern unangemeldet und anonym für Hungerlöhne schuften, als Menschen die nicht in unsere Gesellschaft passen, ausgegrenzt und abgeschoben werden.
Wenn in der Mitte unserer Gesellschaft wieder Witze über jüdische Mitbürger, Verharmlosung von Naziverbrechen und offener Rassismus hoffähig werden, dann ist es an der Zeit aktiv zu werden, bevor es zu spät ist.
Das sind wir den Opfern des Nazifaschismus schuldig.